In this April 7, 2017, file photo President Donald Trump and Chinese President Xi Jinping walk together after their meetings at Mar-a-Lago.
MERICS Briefs
MERICS China Essentials
9 Minuten Lesedauer

China im Jahr 2025

INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN

Die Konkurrenz zwischen China und den USA fordert Europa im neuen Jahr heraus

Wenn Donald Trump 2025 wieder im Weißen Haus sitzt, wird China in Erwartung von mehr transatlantischen Spannungen Europa umwerben. Zugleich wird Beijing Koalitionen mit gleichgesinnten Partnern bilden wollen, um Druck aus den USA standhalten zu können. Je nachdem, wie Europa sich zwischen beiden Seiten positioniert, könnte dies seine Pläne zur Minderung von Risiken und seine längerfristige strategische China-Politik gefährden.

Chinas Führung wappnet sich für einen härteren geopolitischen und wirtschaftlichen Wettbewerb mit Washington. Beijing erwartet, dass Trump seine Drohungen wahr macht und hohe Zölle auf chinesische Importe sowie strengere Ausfuhrbeschränkungen für Technologien verhängt. Im Detail wird Chinas Reaktion davon abhängen, wie es Trumps Absichten einschätzt. Wenn Beijing glaubt, dass Washington China an den Verhandlungstisch bringen will, könnte seine Reaktion zurückhaltender ausfallen. Wahrscheinlich dürfte Beijing zu dem Schluss kommen, dass die USA Chinas Aufstieg und Entwicklung bremsen wollen. Dann wird seine Antwort vehementer ausfallen.

Europa muss sich auf ein China vorbereiten, das international selbstbewusst auftritt und gezielt nach Verbündeten sucht. Russland wird dabei der wichtigste Partner sein, doch Beijing wird sich verstärkt auch Europa zuwenden. Angeboten zur Verbesserung der Beziehungen könnte es zwar an Substanz mangeln. Doch wird Beijing versuchen, von Trump geschürte transatlantische Spannungen auszunutzen. Es wird sich als verlässlicherer Partner und Verfechter des Freihandels positionieren und auf die Mitgliedstaaten und Unternehmen zugehen, die Washington am stärksten unter Druck setzt – in der Hoffnung, dass diese über Beijings Haltung zur Ukraine hinwegsehen. 

Gegenüber manchen europäischen Staaten wird China weiter auf Investitionen, Versprechen zu besseren Marktzugängen, aber auch die Androhung wirtschaftlicher Vergeltungsmaßnahmen setzen, um deren Verhalten zu beeinflussen und Europas „De-Risking“-Pläne zu beeinflussen.

Die Situation im Indopazifik könnte im kommenden Jahr vielleicht etwas Entspannung bringen. Beijing wird sich vor Trumps Unberechenbarkeit hüten, zumindest zu Beginn seiner zweiten Amtszeit. Die laufende Anti-Korruptionskampagne in der Führungsriege der Volksbefreiungsarmee, die kürzlich auch Verteidigungsminister Dong Jun stürzen ließ, wird das Vertrauen der KPC-Spitzen in die Fähigkeiten des Militärs im Falle eines Konflikts weiter erschüttern. Den Druck auf Taiwan, die Philippinen und andere regionale Mächte wird Beijing aufrechterhalten, sein Interesse an einer Eskalation könnte sich angesichts der internen Probleme in Grenzen halten. 

MERICS-Analyse: „China wird im nächsten Jahr versuchen, die noch stärkere Unterstützung für Russland mit einer Annäherung an Europa zu kombinieren“, sagt MERICS-Expertin Helena Legarda. „Wenn die Mitgliedsstaaten versuchen, sowohl auf der Seite der USA als auch auf der Seite Chinas zu stehen, wird dies die China-Politik und die De-Risking-Strategie der EU gefährden. Ohne klare Strategie und konkrete Ziele könnte Europa zu einem Schauplatz des Wettbewerbs zwischen den USA und China werden.“

Wirtschaft

Wirtschaftliche Turbulenzen, keine Hilfe für Verbraucher: China wird auch 2025 auf „Stabilität“ setzen

Wirtschaftliche Turbulenzen und ein weiter eskalierender Handelskonflikt mit den USA werden China 2025 weiter zusetzen. Das Land kämpft derzeit mit Preisverfall, und das Wachstum dürfte im nächsten Jahr unter die für 2024 erwarteten 4,8 bis 4,9 Prozent fallen. Mit Konjunkturprogrammen oder Reformen ist trotz der schwierigen Wirtschaftslage nicht zu rechnen. Chinas Führung hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie streng an ihrer wirtschaftlichen Agenda der Stabilität, Sicherheit und Widerstandsfähigkeit festhält – auch wenn das zu Lasten der chinesischen Verbraucher geschieht. 

Statt das Wachstum anzukurbeln, hat sich Beijing in den vergangenen Jahren auf die aus seiner Sicht heikelsten Probleme konzentriert: wachsende innenpolitische Risiken aufgrund der Verschuldung der lokalen Regierungen, das Platzen der Immobilienblase sowie die Folgen der US-Beschränkungen von Zugängen zu ausländischen Technologien und Märkten. Dies hält auch lokale Regierungen davon ab, wirtschaftspolitische Anreize zu setzen. Das Vertrauen der Verbraucher sank, während sich Beijing auf Maßnahmen zur Förderung des verarbeitenden Gewerbes und der industriellen Modernisierung konzentrierte.  

Beijing wird auch 2025 am bisherigen Kurs festhalten und allenfalls marginale Anpassungen vornehmen. Chinas Führung könnte sich in ihrem Streben nach technologischer Eigenständigkeit und Diversifizierung sogar bestätigt fühlen, wenn die zweite Regierung Trump im Handels- und Technologiekonflikt weiter eskaliert. Darauf ist China heute besser vorbereitet als noch 2016 oder 2020. Drei Ereignisse könnten Beijing zu größeren Anpassungen zwingen: 

Sollten die von Trump angedrohten hohen Zölle in Kraft treten – was unwahrscheinlich ist – könnte Beijing neue Konjunkturmaßnahmen starten müssen, um Exportrückgänge abzufedern und Unternehmen Zeit zu geben, sich an die neue Situation anzupassen. Der Druck auf Beijing, der eigenen Wirtschaft unter die Arme zu greifen, könnte auch steigen, sollten die EU und die USA sich zur Vermeidung eines transatlantischen Handelskonflikts auf ein gemeinsames Vorgehen gegenüber China einigen. Drittens könnten gesellschaftliche Verwerfungen als Folge der schwachen Wirtschaft eine Änderung der Wirtschaftspolitik erzwingen.

MERICS-Analyse: „Die Erwartung auf Seiten westlicher Beobachter, Beijing werde bald Konjunkturmaßnahmen ergreifen, beruht auf der Annahme, dass alle politischen Entscheidungsträger früher oder später auf Notlagen der Haushalte und Märkte reagieren müssen“, sagt MERICS-Experte Jacob Gunter. „Doch Beijing war bislang äußerst diszipliniert und bereit, wirtschaftliche Opfer zu bringen, um Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten. Auch mit Blick auf Trump 2.0 sieht China Führung sich offenkundig in ihrem derzeitigen Kurs bestätigt.“

WISSENSCHAFT, TECHNOLOGIE UND INNOVATION

China wird in Rechenleistung für Künstliche Intelligenz investieren

Die Regierung in Beijing wird 2025 weitere Schritte unternehmen, um im Wettlauf mit den USA um die Vorherrschaft im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) zu bestehen. Unternehmen wie Huawei, die eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung besserer Halbleiter und effizienterer KI-Software erfüllen, können mit Unterstützung rechnen. Zudem wird China den Markt für heimische Technologieunternehmen vergrößern, indem es die Kampagne zum Ersatz von im Ausland hergestellter digitaler Hard- und Software (xinchuang 新创) über die Elektronik- und Automobilindustrie hinaus ausweitet. Die Nationale Datenverwaltung wird beauftragt, Engpässe bei der Rechenkapazität zu vermeiden, denn diese gewinnt als Produktionsfaktor rasant an Bedeutung. 

Die USA werden indes Chinas Zugang zu modernster KI-Hardware weiter einschränken. Am 2. Dezember bereits weitete Washington erneut Exportkontrollen aus. Diese erfassen nun auch Speicher mit hoher Bandbreite sowie Halbleiterfertigungsanlagen (SME). Die Kontrollen und die neuen Ausfuhrbeschränkungen für bestimmte Einrichtungen gelten für Produkte, die überall auf der Welt mit US-Technologie hergestellt werden, wobei der bisherige Schwellenwert für den US-Anteil von 25 Prozent auf Null reduziert wurde. 

Der niederländische Hersteller von Lithographie-Systemen für Halbleiter, ASML, wurde ausgenommen, weil die USA erwarten, dass die niederländische Regierung ihre Kontrollen an ihre Anforderungen angleichen wird. Washington könnte auf Grundlage unternehmensspezifischer Beschränkungen ASML auch vorschreiben, an wen es seine Produkte verkaufen darf.

Die Investitionen und Anpassungen, die für den Ausbau von Rechen- und Stromkapazitäten erforderlich sind, werden die chinesische Wirtschaft belasten. Sie könnten aber auch Beijing anspornen, die Entwicklung eigener Technologien nochmal zu beschleunigen. Kurzfristig wird China auf weniger fortschrittliche und energieintensivere Technologien zurückgreifen. Es nähert sich bereits dem für 2025 angestrebten Ziel, in seinen Rechenzentren eine Leistung von 300 Exaflops (300 x 1018 Gleitkommaoperationen/Sekunde) zu erzeugen. Diese werden voraussichtlich sechs Prozent von Chinas Stromverbrauch benötigen. US-Unternehmen indes bauen derzeit Cluster mit Hunderten von Exaflops. Zusammen werden diese Cluster etwa vier Prozent des gesamten Stroms in den USA verbrauchen.

MERICS-Analyse: „Um mit den weltweiten Fortschritten in der Künstlichen Intelligenz Schritt zu halten, wird China sich enorm anstrengen müssen, denn sein Zugang zu den neuesten westlichen Technologien wird zunehmend eingeschränkt“, sagt Jeroen Groenewegen-Lau, Leiter des Programms Wissenschaft, Technologie und Innovationspolitik bei MERICS. „Im kommenden Jahr werden die ersten autonomen KI-Agenten auf den Markt kommen, die selbstständig Computer steuern und Aufgaben ausführen. China wird alles tun, um in diesem Anwendungsfeld mithalten zu können.“

INNENPOLITIK UND GESELLSCHAFT

Fokus auf Sozialpolitik – und mehr innere Sicherheit

Angesichts wachsender gesellschaftlicher Spannungen dürfte die Regierung in Beijing im kommenden Jahr einen stärkeren Fokus auf die Sozialpolitik legen – aber auch auf die Stärkung der inneren Sicherheit. Die Fokussierung der Wirtschaftspolitik auf die industrielle Modernisierung – anstelle einer Förderung des Konsums – hat dazu geführt, dass viele Menschen in China finanziell kaum noch über die Runden kommen. 

Eine Reihe von tödlichen Anschlägen durch offenbar verzweifelte Bürger – allein im November starben mehr als 40 Menschen bei verschiedenen Vorfällen – hat die Führung alarmiert. Es ist zu erwarten, dass sie Schritte unternimmt, um das Steuer-, Sozial- und Rentensystem zu reformieren und zum Beispiel die wirtschaftlich besonders unter Druck stehenden Wanderarbeiter zu unterstützen.

Beijing wird daran arbeiten, den Zugang zu Gesundheitsversorgung, psychologischen Betreuungsmöglichkeiten sowie Bildung zu verbessern. Erwogen werden neue Steuervorschriften, um den strapazierten öffentlichen Haushalten mehr Mittel für Sozialleistungen verfügbar zu machen. Geplant sind aber auch neue Sicherheitsmaßnahmen wie vorausschauende Polizeiarbeit, mehr Überwachung und politische Schulungen für die Bürger. Der Nationale Volkskongress im März wird voraussichtlich eine Reihe neuer Maßnahmen zur Stärkung der inneren Sicherheit und der sozialen Stabilität prüfen.

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping drängt auf stärkere Präsenz der Kommunistischen Partei auf lokaler Ebene und will mehr Ressourcen in die physische und digitale Präsenz im Alltag investieren.

Das für Sicherheit zuständige Politbüro-Mitglied Chen Wenqing sagte kürzlich, China müsse Risiken lösen, „die sich aus Widersprüchen ergeben“. Die Führung ist sich also offenbar im Klaren, dass sie das Problem der wachsenden wirtschaftlichen Ungleichheit angehen muss. In einem Meinungsbeitrag in der „Volkszeitung“ forderte jüngst ein ranghoher Beamter aus der Provinz Zhejiang die Gerichtsbarkeit auf, eine Eskalation der sozialen Risiken verhindern zu helfen. 

MERICS-Analyse: „Xi Jinping ermahnt Chinas Bürger gerne, entschlossen für die Wiedererlangung nationaler Größe zu kämpfen. Aber das ist zunehmend schwer zu verkaufen“, sagt MERICS-Experte Nis Grünberg. „Xi hat eine klare Vision von der chinesischen Gesellschaft als einem hybriden Dienstleistungs- und Sicherheitsstaat, der in der Nähe jedes Bürgers präsent ist.“

Grafik der Woche

Chinas Handelsbilanzüberschuss wird in diesem Jahr bei mehr als 900 Milliarden USD liegen und damit einen neuen Rekordwert erreichen. Seit Xi Jinping 2012/2013 an die Macht kam, hat sich der Handelsbilanzüberschuss der Volksrepublik verdreifacht. Steigende Exporte in aufstrebende Wirtschaftsnationen sowie der anhaltende Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA und der EU haben zu diesem Ungleichgewicht in Chinas Handelsbeziehungen beigetragen. Chinesische Exporte gelangen zunehmend über andere Länder wie Vietnam oder Mexiko in die USA. Neue US-Zölle werden die Handelsströme zwar verändern, aber nichts an Chinas führender Position in der herstellenden Industrie ändern. Dass China mehr in andere Länder exportiert als importiert ist zu einem weltweiten Problem geworden.

MERICS China Digest

Handelsspannungen zwischen den USA und China verschärfen sich (Bloomberg)

Nachdem das Weiße Haus am Montag beschlossen hatte, den Verkauf von Speicherchips mit hoher Bandbreite, die von US-amerikanischen und ausländischen Unternehmen hergestellt werden, nach China zu beschränken, teilte das chinesische Handelsministerium mit, die Lieferung von Gallium, Germanium, Antimon und superharten Materialien in die USA zu verbieten. (3.12.24)

Ein Besuch voller ehrenwerter Appelle (Tagesschau)

Während ihres Besuchs in Beijing am Montag platzierte Außenministerin Baerbock wichtige Appelle und vermied deutsche Alleingänge. Sie thematisierte Chinas Verhältnis zu Russland und den Krieg gegen die Ukraine. Beide Seiten betonten wiederholt, dass es zwar Differenzen zwischen Deutschland und China gibt, dass diese aber kein Hindernis für Zusammenarbeit sein müssen oder gar sind. (2.12.24)

China verurteilt Ausweisung von drei Diplomaten aus Litauen (Reuters)

Das chinesische Außenministerium verurteilte die Ausweisung von drei Diplomaten aus Litauen am 29. November. Litauen begründete die Ausweisungen mit Verstößen gegen das Wiener Übereinkommen und die litauische Gesetzgebung, nannte jedoch keine Einzelheiten. (2.12.24)

Chinas Anteil am weltweiten Markt für Elektroautos steigt auf 76 Prozent (The Guardian)

Chinas Anteil am weltweiten Markt für Elektroautos ist im Oktober auf 76 Prozent gestiegen, so der chinesische Automobilverband. Dies spiegelt die starke Nachfrage nach Elektroautos im Land wider, auch wenn westliche Zölle die Exporte zu behindern drohen. Zwischen Januar und Oktober wurden nach Angaben der China Passenger Car Association 14,1 Millionen E-Fahrzeuge verkauft, 69 Prozent davon in China. Im Oktober lag der Anteil Chinas bei mehr als drei Vierteln. (3.12.24)